Die Superwelle

Planung – Vorbereitung – Geduld – Beharrlichkeit. Viele Bilder auf meiner Website sind auf Basis dieser Eigenschaften entstanden. Gelegentlich ergeben sich jedoch attraktive Aufnahmesituationen scheinbar aus dem Nichts heraus.

 

Am frühen Nachmittag des 31.12.2018 sah ich zufälligerweise beim Blick aus dem Badezimmerfenster, dass sich an den Felskanten von Stallflue und Wandflue ungewöhnliche Nebelschwaden bildeten. Also fragte ich meinen Sohn, ob wir spontan auf den Grenchenberg zum Fotografieren fahren wollen. Begeistert stimmte er zu und schnappte sich seine Coolpix. Oben angekommen sah es aufgrund des Lichts wenig fotogen aus, obschon sich in Richtung der Hasenmatt eine kleine Nebelwelle abzeichnete. Also wandten wir uns erst einmal anderen Motiven zu.

Um ca. 15:30 wollten wir uns auf den Nachhauseweg machen, jedoch nicht ohne vorher nochmals kurz am Aussichtspunkt vorbeizuschauen. Wir trauten unseren Augen nicht, was sich dort abspielte! Das Mittelland war komplett nebelfrei. Nordseitig verdichtete sich der Nebel zusehends, türmte sich auf und begann, die ganze Umgebung zu verschlingen, so dass man kaum noch die Hand vor Augen sehen konnte. Nur Augenblicke später kehrte die Sicht zurück und der Nebel begann wie ein gigantischer Wasserfall über die Südabstürze des Solothurner Jura hinabzufliessen.

 Und dann kam das Licht. Wunderbares weiches Nachmittagslicht, welches das an und für sich schon seltene Naturphänomen in ein regelrechtes Silvesterfeuerwerk verwandelte. Nach ein paar wenigen Fotos rief mein Sohn: «Papi, mi Akku isch läär»… Und somit lastete die ganze fotografische Verantwortung auf meinen Schultern.

Gegen 17 Uhr wurde die Nebelwalze allmählich farblos und da meinem Sohn bereits etwas kalt war, packte ich meine Fotoausrüstung zusammen. Als wir uns bereits auf den Rückweg machten, schaute ich nochmals ostwärts und erkannte mit «Schrecken», dass die Region vor der Hasenmatt in die kitschigsten Rot- und Rosatöne getaucht war. Also: zurück zum Spot, Rucksack runter, Kamera raus, Tele drauf… und nochmals die SD-Karte glühen lassen.

Als Solothurner weiss ich, wie selten und unvorhersehbar diese Wetterkonstellation ist und fühle mich privilegiert, dass ich sie ausgiebig beobachten und fotografieren konnte. Dass mein Sohn und ich in Zeiten des Fotografie-Booms und der inzwischen teilweise überrannten Foto-Spots ganz mutterseeleinalleine dort oben standen, machte dieses Silvester-Erlebnis perfekt.