Gipfelglühen am Oeschinensee

Ende September 2018, 19:24 Uhr. Die Schatten wandern unaufhaltsam die vergletscherten Flanken empor. Von Adelboden her bringt die tief stehende Sonne die Gipfel der umliegenden Dreitausender zum glühen. Ich drücke auf den Auslöser. Nochmal. Und nochmal… Das Bild, welches ich den ganzen Sommer hindurch im Kopf hatte, ist im Kasten.

Es ist mein dritter Besuch am Oeschinensee dieses Jahr. Bereits im Frühjahr nahm ich den Aufstieg von Kandersteg her in Angriff, um mich mit dem Gebiet vertraut zu machen und um geeignete Fotospots zu finden. Hoch oben auf dem Höhenweg wurde ich fündig: ein Standort, der gleichzeitig freie Sicht auf die umliegenden Gipfel und einen atemberaubenden Tiefblick bot.

 

Bei der Planung zuhause wurde schnell klar, dass erst im Spätsommer das Licht für ein stimmungsvolles Bild passen würde. So machte ich mich Mitte September um 4 Uhr früh auf den Weg und startete meinen Aufstieg in völliger Dunkelheit. Nach gut anderthalb Stunden hatte ich die 800hm mit dem 20kg Rucksack und dem Stativ geschafft und stand im dicken Nebel. Nun gut, es war ja noch früh. Die Bedingungen würden sich mit der aufgehenden Sonne schon verbessern.

Warten… frieren… hoffen… Wetter-Apps checken...

 

Um einigermassen warm zu bleiben begann ich auf dem schmalen Höhenweg hin und her zu gehen, was aber bald nicht mehr ausreichte. So beschäftigte ich mich für eine Weile mit Armkreisen, Hüpfen, Kniebeugen und Ausfallschritten... bis ich plötzlich realisierte, dass ich beobachtet wurde!

Irgendwann war klar, dass es an dem Tag nichts mehr wird. Als ich schon zusammenpacken wollte, kam plötzlich Wind auf und damit Bewegung in die Nebeldecke. Die Stimmung änderte von Minute zu Minute. Ein grandioses Schauspiel, aber das fotogene Morgenlicht war leider bereits vorbei.

Aufgrund der gemachten Erfahrung änderte ich meinen Plan. Ende September ging es erneut nach Kandersteg, diesmal jedoch erst gegen Abend. Während des Aufstiegs musste ich beobachten, wie sich zunehmend unattraktive Schleierwolken bildeten. Sollte es heute wieder nichts werden? Schnell die Wetter-App gecheckt: die Wolken müssten sich eigentlich wieder verziehen...

 

Und das taten sie schlussendlich auch!

Klick… Klick…

 

Immer noch stehe ich auf rund 2'000 Metern und kann mich an der überwältigenden Szene kaum sattsehen. Es beginnt mich zu frösteln und mir fällt ein, dass ich noch einen langen Abstieg ins Tal vor mir habe. Die Seilbahn hat den Betrieb für heute eingestellt. Also packe ich meinen Rucksack, setze die Stirnlampe auf und mache mich zufrieden auf den Weg.